Auswanderung nach Nordamerika
In einem 1852 geschriebenen Bericht der Mindener Regierung heißt es:
Die Lage der arbeitenden Klasse, besonders der Weber und Spinner, ist noch immer sehr traurig ...
In den letzten Monaten sind allein mindestens 1500 Personen aus dem Kreise Herford, 600 aus dem Kreise Bielefeld, meistens kleine Grundbesitzer, Erbpflichtige und Heuerlinge nach Nordamerika ausgewandert.
Den meisten Auswanderern aus Jöllenbeck war wohl endgültig klar geworden, dass die handwerkliche Spinnerei und Weberei ihr Ende gefunden hatte.
Zur Auswanderung verführt haben aber auch die zahlreichen Berichte, Zeitungsangebote und Berichte von schon Ausgewanderten:
Das Knechte und Mägde sind, verdienen in einem Monat soviel wie in Deutschland das ganze Jahr,
auch Heuerlinge, die sich von ihrer Hände Arbeit ernähren und außerdem keinen Nahrungszweig haben,
leben hier weit besser als bei euch.
Völlig verarmte Heuerlinge konnten Deutschland nicht verlassen, da ihnen das Geld für die Reisekosten fehlte.
Der größte Teil der Jöllenbecker Auswanderer verließ die Heimat über Bremen und den Bremerhaven in Richtung Übersee. Bremerhavens Aufstieg zu einem weltweit anerkannten Überseehafen und größten europäischen Auswandererhafen hing im Wesentlichen mit der Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzenden Auswanderungswelle zusammen.
Die 1814 erfolgte die Aufhebung des Auswanderungsverbots in Deutschland, die wirtschaftliche Not sowie die politische oder religiöse Unterdrückung in ihrer Heimat veranlassten viele Menschen, einen Neuanfang vor allem in Nordamerika zu suchen. Die Auswanderer kamen anfangs überwiegend aus ländlichen Gebieten Deutschlands.
Jöllenbecker Auswanderer (Auswahl) |
Landmann Caspar Eilbrand, 25 Jahre, 1886 nach Nordamerika. |
Im Jahr 1850 eröffnete der Bremerhavener Schiffsspediteur Johann Georg Claussen in Bremerhaven eine Auswandererherberge.
Das Auswandererhaus war eine vorbildliche Einrichtung, in der zwischen 2.000 und 3.500 Menschen preiswert übernachten und beköstigt werden konnten. Es gab nicht nur Schlaf- und Speisesäle, sondern auch eine Großküche, Lazaretträume und eine Kapelle.
Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Bremen-Geestemünde im Jahr 1862 führte jedoch zur Schließung des Auswandererhauses, da fortan die Auswanderer mit Sonderzügen von Bremen pünktlich zu ihren Schiffen gebracht wurden. Die Bremer Kaufleute hatten es erreicht, daß sich die Auswanderer so lange wie möglich in Bremen aufhielten und erst im letzten Moment nach Bremerhaven transportiert wurden.
Zu denen, die ihre Heimat verließen, gehörte u.a. auch der am 29. August 1851 ausgewanderte 19-jährige Johann Friedrich Kassing vom Oberjöllenbecker Hof Dreekmann. Mit dem Segelschiff Edmund und seinem Kapitän Wehmann kehrten am 30. September 1853 weitere dreißig Jöllenbecker ihrer Heimat für immer den Rücken und fuhren nach New Orleans. Am selben Tag folgten die Schiffe Beta und Helene, geführt von den Kapitänen Gustavus und Volckmann mit noch einmal achtzig Auswanderern aus Jöllenbeck.
Nach New Orleans segelte einen Tag später auch die Oldenburg mit Kapiän Menke und zwölf weiteren Jöllenbecker Auswanderern.
Quellen:
Westfälische Gesellschaft für Genealogie (Hrsg.)
Westfälische Auswanderer aus dem Regierungsbezirk Minden.
Beiträge zur westfälischen Familienforschung Münster 1981
Landesarchiv Detmold, Regierung Minden. IA, Nr. 240
Landesarchiv Münster, Berichte der Mindener Regierung, Nr. 351 vol. VII-X
Stadarchiv Bielefeld, Amt Schildesche 85 a
Bildnachweis:
Historisches Museum Bremerhaven, Wikimedia Commons, Privatarchiv Kassing